8.Dezember

8.Dezember

 Der Schnee draußen vorm Haus war bis auf ein paar kleine Reste geschmolzen, als Ole heute Morgen aufwachte und aus dem Fenster sah. Er könnte sich also viel Zeit lassen im Badezimmer und beim Frühstück, dachte er verschlafen. Oder sich gleich noch mal ins warme Bett legen. „Nix da!“ sagte er laut zu sich selbst. „Der Adventskalender wartet und Oma braucht sicher auch Hilfe. Los, du fauler Troll, auf, auf!“ Er schlenderte ins Bad, putze sich ausgiebig die Zähne und versuchte vergeblich, seine Locken zu bändigen. Anschließend hüpfte er gutgelaunt die Treppe hinunter und fand auf Stufe neun den Strumpf des Tages. Der trug die Nummer acht und war prall gefüllt. Ole schnupperte daran und fand, dass dieser Strumpf einen unwiderstehlichen Duft habe. Nach was denn nur? Egal, der Strumpf wurde geöffnet und zum Vorschein kam eine Tüte mit bunten Krümeln. Ratlos hielt er sie in der Hand und wusste nicht, was er damit anfangen sollte.
„Oma weiß bestimmt, was das ist“, dachte er und stieg weiter die Treppe hinunter. Er machte sich auf den Weg in Omas Küche und schnupperte zwischendurch immer wieder an der Tüte.

Im Hausflur schon kam ihm ein ganz anderer Geruch entgegen. Es roch nach Suppe. Hühnersuppe, um es genau zu sagen. Sofort begann sein Magen laut zu knurren, was ihm sehr peinlich war. Ob Oma das wohl gehört hatte? Sie stand am Herd und rührte in einem großen Topf. Ohne sich umzudrehen sagte sie: „Dein Frühstück steht auf dem Tisch. Guten Morgen übrigens ,lieber Ole.“ Sie hat es gehört, dachte Ole bei sich und rief:
„Guten Morgen Omilein. Kochst du Hühnersuppe?“ Er kletterte auf den Tisch, nahm auf seinem Stühlchen Platz und stellte die Tüte mit den Krümeln vor seinen Teller. Dann begann er damit, sein Marmeladenbrot zu verputzen. „Was gab es denn heute in deinem Adventskalender?“ kam es vom Herd herüber. „Eine Tüte Krümel mit Duft.“ war die kaum verständliche Antwort, die er mit vollem Mund heraus brachte. „Eine was?“ Oma drehte sich nun doch um und schaute ihn verwirrt an. „Krümel?“ „Ja, schau doch selber nach. Hier steht sie doch. Riecht prima, ich weiß nur nicht, nach was genau und wozu man die gebrauchen kann.“ Das hatte Oma nun alles gut verstanden. „Kein Brötchen mehr im Mund und schon ist alles klar verständlich“, meinte Oma. „Zeig mal die Tüte her.“ Sie setzte ihre Brille auf und nahm das winzige Ding in die Hand. Schnuppernd betrachte sie den Inhalt und erklärte dann: „ Mein lieber Ole, deine Krümel da in der Tüte sind eine Teemischung mit Weihnachtsduft. Für gemütliche Adventsnachmittage passend zu dem ein oder anderen Plätzchen.“ „Tee? Sowas wie du immer trinkst? Extra für mich?“ freute er sich und im gleichen Augenblick fielen seine Mundwinkel herunter.“ „Wir haben doch gar keine Plätzchen mehr. Die sind doch abgeholt worden.“ Da lachte Oma laut auf und sagte: „ Ach Ole, du kleiner Dummerjahn. Du hast wohl gar nicht mit bemerkt, dass der Nikolaus jedem von uns eine Tüte davon wieder zurück gebracht hat? Dein Schlitten hat dich wohl alles andere um dich herum vergessen lassen.“ Nein, das hatte er wirklich übersehen. Das Lachen kehrte in sein Gesicht zurück und ging von einem Ohr zum anderen. Es zischte ganz fürchterlich auf dem Herd und Oma eilte ärgerlich zum Topf mit der Suppe. Sie war übergekocht und es roch nun nicht mehr so gut in der Küche. „Verflixt, ich hätte besser aufpassen müssen“, schimpfte sie vor sich hin, während sie den Topf beiseite zog um den Herd zu säubern. „Tut mir Leid Omilein, meine Schuld-und die vom Tee“, murmelte Ole. „ Ach was, ich hab selber Schuld, zu viel Holz im Ofen. Das Feuer war zu stark, ich hätte es wissen müssen.“ Noch immer ärgerlich auf sich selber nahm sie sich einen Tasse Kaffee und setzte sich zu Ole an den Tisch. „Magst du heute mit mir ein wenig Christbaumschmuck basteln. Dabei könnte ich deine Hilfe gut gebrauchen. Ich sehe ja nicht mehr so gut und manches ist so klein, dass es für dich sicher leichter ist, es zusammen zu fügen.“ Oma sah ihn bittend an. „Was genau willst du denn basteln“, fragte er neugierig und sie erklärte ihm um was es ging. Aus Nussschalen, Holzperlen und ein wenig Stoff und Watte sollten viele winzige Bettchen mit einem Christkind darin entstehen. „Da bin ich gern dabei!“ rief er.“
„Wann fangen wir an?“ „Jetzt sofort, wenn du möchtest.“ Oma stellte eine Schachtel auf den Tisch und begann damit, ihren Inhalt auf dem Tisch auszubreiten: Eine Hand voll Walnusshälften, zu Oles Bedauern leider schon leer gegessen, eine Tüte Holzperlen, eine Tube Kleber und einen großen Wattebausch. Dazu noch eine Schere und eine Rolle Bindfaden und kleine Stoffreste mit verschiedenen Mustern. Ole bestaunte all die Sachen und nahm ins nach dem anderen in die Hand.


„Daraus kann man Christkindbettchen machen?“ fragte er ungläubig. „Oh ja, das kann man“ lächelte Oma, als sie in ihre Schürzentasche griff und etwas auf den Tisch legte, dass aussah wie eine winzige Wiege. Fasziniert starrte Ole auf den Tisch. „Sowas Schönes soll ich können? Wenn das mal nicht in die Hose geht, Oma. Trolle sind furchtbar ungeschickt, das weißt du doch.“
„Ach was“ rief sie, „ich bin doch dabei und helfe.“ Sie nahm eine der Nussschalen, tropfte etwas Kleber hinein und zupfte etwas von der Watte ab. „Bitte leg die Watte als Polster in die Nussschale und drücke sie gut fest.“ „Das kann ich“, rief er und erledigte den Auftrag sofort. Nacheinander füllten sie alle Schalen auf diese Art und als sie fertig waren, griff Oma nach den Holzperlen. „Nun bist du alleine an der Reihe“, teilte sie Ole mit. „Ich hole rasch noch etwas, was ich vergessen habe.“ Ratlos saß Ole mitten auf dem Tisch und wartete. Oma legte zwei kleine Tuben Farbe und einige Zahnstocher vor ihn hin. „Schau mal genau hin, wie das Gesicht auf der fertigen Holzperle dort in der Wiege ausschaut. Kannst du bitte mit den Zahnstochern die Farbe genau so auf die Perlen auftragen?“ bat sie ihn. Er überlegte kurz und meinte dann: „Mir wäre es lieber, wenn wir die Perlen erst einkleben, dann rollen sie mir nicht weg, wenn ich male.“
„Prima Idee, so machen wir es. Und während du malst, schneide ich aus dem Stoff die kleinen Bettdecken.“ freute Oma sich. Ole klebte also in jede Nussschale eine Perle ziemlich ans Ende und Oma schnipselte was das Zeug hielt. Fast gleichzeitig waren sie fertig mit ihren Aufgaben und Ole begann mit den Gesichtern. Er tupfte blaue Augen auf jede Perle, dann bekam noch jede einen kleinen lächelnden Mund in Rosa und schon lag ein körperloses Baby in jeder Wiege.

Ratlos schaute der kleine Bastelgehilfe sich um und fragte dann: „Sag mal, woraus wird denn der Körper gemacht?“ „Wir brauchen keinen Körper, siehst du gleich“, war die unerwartete Antwort. Oma zupfte noch etwas Watte und von der Garnspule nahm sie sich ein Stückchen Faden. Sie legte die beiden Enden am Rand der Nussschale ungefähr in der Mitte ein, tropfte etwas Kleber darauf und legte die Watte dazu. Dann kam noch ein wenig Kleber auf den Rand der Nussschale, genau dort hin, wo die Decke befestigt werden muss. Nun noch den Stoff auf Watte und Schale festgedrückt und schon sah es aus, als läge unter der Decke ein Körper. Ole zupfte hier und schob dort noch ein wenig, bis es ihm gefiel. „Wie schön“, rief er aus und hüpfte auf dem Tisch herum vor lauter Freude. „Schau, sie kann auch schaukeln“, sagte Oma und ließ die kleine Wiege lustig am Faden von ihrem Finger baumeln
„Perfekt!“ rief Ole gab der Wiege einen Schubs. Sie schaukelte hin und her und das Baby darin schien zu lachen.



Den Rest des Nachmittags verbrachten die beiden mit Kleben und Schneiden und am Abend standen 25 kleine Wiegen auf dem Tisch. Alle mit einem Faden ungefähr in der Mitte, damit sie auch im Weihnachtsbaum hängen können, wenn das Christkind kommt.

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