21.Dezember
Ole hüpfte aus dem Bett und schnappte sich Mütze, Schal und
Handschuhe. Er konnte es kaum erwarten, mit den anderen in den Wald
zu fahren. er war schon fast in Omas Küche angelangt, da fiel ihm
ein, dass er seine Säge vergessen hatte. Also flitze er noch einmal
nach Hause und griff sich gleich auch noch die Schere. Ein wenig
Tannengrün würde bestimmt gut aussehen am Treppengeländer, wenn
der Sockenkalender abgehängt war. Richtig! In der Vorratskammer
stand ja ein Wäschekorb, den könnte er bestimmt dafür verwenden,
seine Beute nach Hause zu tragen. Er packte also Säge, Schere und
ein Stück Schnur hinein, nachdem er den letzten Kürbis aus dem Korb
achtlos in die Ecke gelegt hatte und schleppte ihn mühsam in Omas
Küche. Dort war noch alles dunkel und es roch auch nicht nach Kaffee
und Brötchen wie sonst, wenn er dort ankam. Die sind doch wohl nicht
ohne mich gefahren, weil ich verschlafen habe, schoss es im durch den
Kopf. Panisch schaute er auf die Uhr. 6:15 stand dort in grünen
Zahlen und der Doppelpunkt blinkte fröhlich vor sich hin, als ob er
ihn auslachen würde: Zu früh, zu früh, zu früh Herr Nisser,
blinkte es. Erleichtert plumpste er auf seinen Stuhl am
Puppentischlein und schüttelte über sich selbst den Kopf. Lange
Zeit saß er einfach nur da und beobachtete die blinkenden Punkte. Er
sah dabei zu wie aus der hinteren 5 eine 6 und danach eine 7 wurde,
aber dann verlor er die Lust daran. Nachdenklich starrte kleine
Löcher in die Luft und rief dann, wie aus heiterem Himmel: „ Ich
habs! Heut bin ich der Isländerkobold. Wie hießen sie noch gleich?
Richtig: Jòlasveinar!“ Er wusste auch sofort, welchen Schabernack
er treiben wollte. Rasch hüpfte er vom Küchentisch, schlich sich
die Treppe hinauf und hinein ins Schlafzimmer von Oma und Opa. Er
hangelte sich am Zipfel von Opas Bettdecke, die wie immer bis zum
Boden hing, hinauf, schlich sich an Opas leise schnarchender Nase vorbei übers Kopfkissen bis
zum Nachtschrank. Dort stand das Objekt seiner Begierde: Der Wecker!
Rasch drückte er hier ein wenig und dort noch mal und schon zeigte
der Wecker 8:57 an. In drei Minuten würde er nun klingeln, dessen
war er sich sicher. Opa stand sonntags immer um neun Uhr auf, weil es
sonst beim Bäcker keine Ole-Brötchen mehr gab, die waren nämlich
sehr begehrt und immer schnell ausverkauft. Nun hieß es, schnell ein
sicheres Versteck zu finden und darauf zu warten, das Opa dem
Wecker „guten Morgen“ antworten würde, wenn der wieder sein fröhliches
: „Good morning, good morning ins Schlafzimmer rief. Ole fand den
perfekten Platz im Bücherbord an Omas Bett, genau hinter ihrem
uralten Teddy aus ihrer Kindheit. Oh, wie lang nur drei Minuten sein
können, wenn man dringend wartet……..
:58………..:59………………….: Good
morning, good morning rief der Wecker und Opa drückte mit
geschlossenen Augen den Knopf. „ Halt den Mund, du dummes Ding, Oma
schläft noch!“ murmelte er und zog sich die Decke über den Kopf.
So hatte Ole das aber nun nicht geplant gehabt. Er kratzte sich mal
wieder durch seine wirren Locken und ärgerte sich, dass sein
Schabernack nicht funktioniert hatte. Wenn er doch nur wüsste, wie
er die Beiden aus dem Bett kriegen würde. Mitten in seine Grübeleien
hinein erscholl schon wieder: Good morning, good morning und Opa warf genervt die Decke zurück. Er drückte den
Ausknopf und schwang die Beine aus dem Bett. „Nützt ja nix, der
Bäcker hebt mir keine Brötchen auf“, murmelte er und zog sich an.
Ole hatte Mühe, nicht laut zu kichern und duckte sich ein wenig
tiefer, damit er nur ja nicht entdeckt würde. Er wartet, bis Opa das
Schlafzimmer verlassen hatte und huschte rasch zu Emilia und Leo
hinüber und klopfte leise an. „He ihr zwei, aufwachen, es geht
gleich in den Wald. Aber vorher gibt es was zu kichern.“
Verschlafen öffnete Leo die Tür und sah ihn fragend an. Genau in
diesem Augenblick hatte Opa wohl in der Küche auf die Uhr geschaut.
Sie hörten in lautstark schimpfen:
„Ja zum Donnerknispel noch ein mal, was ist denn hier los? Welche
Uhr stimmt denn jetzt?“ Ole kicherte und berichtete flüsternd, was
mit Opas Wecker geschehen war. Leo sah ihn fragen an: „Jólasveinar?“
Ole nickte bedeutsam und grinste von einem Ohr zum anderen. „Wie
spät ist es denn nun wirklich?“ fragte Leo und schielte mit einem
Auge nach seinem warmen Bett. Ole überlegte und rechnete und meinte
dann: „Müsste so……….“ In dem Moment fluchte unten in der
Küche Opa ein zweites Mal:
„Donnerlitschen, nun schlägt es aber dreizehn. Meine Armbanduhr
und mein Handy zeigen halb sieben an. Was geht hier vor in diesem
Haus. OLE! Komm sofort her und erkläre mir das!“ Mit zwei langen
Schritten war er im Wohnzimmer und wollte Ole aus dem Bett scheuchen.
Aber da war kein Ole. „Ausgeflogen, der Vogel, soso…….“Opa
schaute sich suchend um.
„Leo fragen, Erklärung, wehe,
ausschlafen…..“ murmelte er vor sich hin auf dem Weg zur
Dachbodentreppe. „Ach hier steckst du, Herr Nisser, ich suche dich
im ganzen Haus.“ „Ja, hier bin ich, Opa, wecke gerade Leo und
Emilia, die haben verschlafen. Genau wie du. Ich war schon bei dir am
Bett, aber du hast geschlafen und warst nicht wach zu kriegen. Dabei
sagt dein Wecker dauernd Good morning und it‘s nine o´clock. So viel Englisch kann ich: Das heißt Guten Morgen, es ist
neun Uhr!
Wir wollen doch in den Wald.“ Opa war nun ganz verdattert. Also
glaubten die Trolle auch, es sei schon neun Uhr? Sehr seltsam, das
alles, dachte er und war sich nun gar nicht mehr sicher, welcher der
Uhren im Haus er nun glauben sollte. „Wer macht denn hier in aller
Hergottsfrühe einen solchen Lärm?“ Oma stand im Türrahmen des
Schlafzimmers und sah fürchterlich zerknautscht und verschlafen aus.
„ Seid ihr eigentlich noch ganz bei Trost? Draußen ist es
stockfinstere Nacht und ihr lärmt hier so herum, das selbst Tote
erwachen würden.“ Opa sah sie verdutzt an. „ Das ich das nicht
sofort bemerkt habe! Die Küchenuhr geht also doch richtig.“
Wortlos ging er an Oma vorbei zurück ins Schlafzimmer, entkleidete
sich und zog sich mit den Worten: „ Weckt mich um neun!“ die
Decke über den Kopf und schlief sofort wieder ein. Oma aber ging ins
Bad und anschließend kochte sie sich einen starken Kaffee. Wenn sie
nun schon einmal wach sei, dann könne sie auch einen Kaffee
vertragen, hatte sie gesagt. Ole erklomm den Küchentisch und hielt
ihr seine kleine Tasse entgegen. „ Ich auch bitte“, sagte er und
sah Oma ein wenig bange an. Sie goss ihm die Tasse voll und sah ihn
eine Weile schweigend an. „ Waren wohl wieder die Jólasveinar,
was? Ole, Ole, deine Verwandten gefallen mir gar nicht.“ Um viertel
nach Neun endlich kam Opa dann auch zum Frühstück, in jeder Hand
einen Nisser. Emilia und Leo erhielten jeder auch einen Kaffee, den
sie mit Genuss austranken. Niemand schien Eile zu haben. Niemand
außer Ole, den es vor lauter Ungeduld kaum noch auf dem Stuhl hielt.
„ Opa, sag doch. Wann fahren wir endlich in den Wald? Und hinterher
zur Uroma, die Lovis besuchen?“ Opa griff nach der Butterdose,
öffnete sie betont langsam und tat dann ganz erstaunt darüber, dass
heute Morgen kein Gruß für ihn auf der Butter geschrieben stand. Er
schmierte sich in aller Seelenruhe sein Brötchen und biss genüsslich hinein. Ole wusste genau: Der würde nicht antworten,
solange er kaute. Das tat er nie. Hatte seine Mutter ihm verboten.
Als er es nicht mehr aushalten konnte, hüpfte er vom Küchentisch
und rief: „Ich geh schon mal das Werkzeug holen. Dann geht es
hinterher ein wenig schneller.“ Opa nickte und schaute Oma
grinsend an. Er zwinkerte ihr wie ein Verschwörer zu und griff nach
einem zweiten Brötchen. Emilia und Leo hatten staunend dagesessen
und kein Wort gesagt. „Humor hat er ja“, flüsterte Emilia ihrem
Mann leise zu. Der hob den Finger zum Mund und ein leises :“Pssst!“
brachte sie zum Schweigen. „Ich bin wieder da!“ rief Ole aus dem
Flur zu ihnen hinüber und trippelte aufgeregt herum. Er trug einen
Rucksack und seine Säge und sah aus wie ein kleiner Waldarbeiter.
Opa trank den letzten Schluck Kaffee aus und stellte die Tasse ab.
„Von mir aus kann es losgehen, meine Herrschaften. Abfahrt in fünf
Minuten.“ Ole sauste noch einmal zum Puppenhaus zurück und als er
wiederkam, zog er seinen neuen Schlitten hinter sich her. „Nur für
den Fall, das es bei Uroma Schnee gibt, natürlich!“ Er sah Oma
fragend an und die nickte nur: „Nimm ihn ruhig mit. Wenn es keinen
Schnee gibt, kannst du immer noch den Weihnachtsbaum für dich damit
aus dem Wald ziehen. Das haben wir früher auch immer so gemacht.“
Sie setzte die ganze Nisserei samt Gepäck und Schlitten in ihre
Handtasche und los ging die Fahrt. Nach ca. 15 Minuten schon kamen
sie in Omas Heimatdorf an und Uroma erwartete sie schon an der
Haustüre. Hinter ihr auf der Türklinke saß Lovis und hielt
Ausschau nach den Nissern. „Herzlich willkommen alle miteinander“,
rief Uroma und wies einladend den Weg ins Haus. „Als ob die Oma
den Weg nicht kennen würde“, flüsterte Ole seinen Freunden zu.
„Du bist dumm Ole Nisser! Sie meint uns damit!“ Emilia schüttelte
den Kopf und streckte ihren Kopf aus der Handtasche hervor. „Ah,
sie sind sicher Emilia Himbeernisser?“ rief Uroma erfreut und
Lovis rief von der Türklinke herüber: „Ja, das muss sie sein. Ich habe schon viel
von ihren grünen Zöpfen gehört.“ Drinnen im Haus saß der Uropa
auf dem Sofa und las in seiner Zeitung. Er hob den Kopf, begrüßte
alle und vertiefte sich wieder in seine Lektüre. Lovis stand ein
wenig verloren mitten in Uromas Stube und wartete darauf, dass die
Nisser mit ihr auf ein Schwätzchen in ihre gute Stube gingen. „Ich
würde euch gern mein Winterhaus zeigen, wenn ihr möchtet“, bot
sie zaghaft an und machte sich auf den Weg ins Badezimmer.
„Sie wohnt im Bad?“ staunte Ole und beeilte sich, sie einzuholen.
Leo und Emilia eilten hinter den Beiden her und standen dann mit weit
aufgerissenen Augen vor Lovis Haus.
„Unglaublich!“ entwich es Leo und Emilia hauchte nur: „Ein
Traumhaus. sogar mit Veranda! Und ein Badezimmer wie aus dem
Katalog!“
Ole hingegen war schon mit Lovis ins Haus gegangen und erkundete alle
Räume, wie es sich für einen ordentlich neugierigen Nisser gehörte.
Lovis kochte rasch einen Tee und nachdem alle ihr Haus gebührend
bewundert hatten, nahmen sie auf der Sonnenterasse Platz.
„Wohnst du immer hier?“ fragte Emilia immer noch staunend. „
Nein, ich halte es kein ganzes Jahr drinnen aus. Im Sommer wohne ich
hinterm Haus im Wintergarten. Mit direktem Zugang zu Omas
Johannisbeeren und unter einem Dach aus Weintrauben. Das ist wie im
Schlaraffenland dort.“ „Zeigst du uns das auch?“ Ole war schon
aufgesprungen und hatte dabei seinen Stuhl umgeworfen. „Gerne, wenn
die anderen beiden auch möchten?“ Fragend sah Lovis ihre Gäste an
und die nickten zustimmend. Also war es beschlossene Sache: Sie
tranken noch den Tee aus und machten sich auf den Weg zum
Wintergarten. Auch diese Wohnung gefiel sehr gut, obwohl sie ein
wenig rustikaler anmutete. Lovis selbst stand mit aufgerissenen Augen
vor ihrem Sommerhaus. Das Christkind hatte sich wohl in der Adresse
geirrt und die falsche Wohnung dekoriert.
Emilia verliebte sich sofort in einen extravaganten Stuhl und hätte
ihn am liebsten mitgenommen. Ob Leo ihr wohl einen solchen Stuhl
bauen könnte? Das musste sie ihn bei Gelegenheit unbedingt einmal
fragen. Es gab soviel zu sehen und zu erzählen, dass die Vier völlig
die Zeit vergaßen.
Fast
hätten sie überhört, als Opa unten rief:
„Abfahrt in den Wald in 10 Minuten. Wer mit will, sollte sich
beeilen.“ „Herrjeh, der Weihnachtsbaum, den hätte ich doch fast
vergessen!“ rief Ole und sauste die Treppe hinunter zu Oma und Opa
in die Küche. Die beiden anderen Trolle verabschiedeten sich höflich
von Lovis und entschuldigten sich für das ungehobelte Benehmen ihres
Freundes Ole. Dann machte auch sie sich auf den Weg nach unten. Oma
stellte ihre Handtasche auf den Boden und sagte: „ Alles
einsteigen, der Handtaschenexpress fährt in zwei Minuten ab.“
Gemeinsam mit Uropa und Uroma ging es mit dem Auto zum Wald und dort
begann die schwierige Suche nach einem passenden Weihnachtsbaum. „Zu
groß“, sagte Opa beim ersten Baum. „Zu klein“, kritisierte Oma
beim Zweiten. Der Dritte war ihr zu krumm, der Vierte war Opa zu
kahl, der Fünfte hatte zwei Spitzen, der Sechste war unten zu breit
und oben zu mickrig. So ging es durch den ganzen Wald und es schien,
als ob kein Baum der Richtige sei. Die Trolle waren irgendwann
unterwegs aus Omas Handtasche gehüpft und hatten sich mit ihrem Werkzeug und dem Schlitten alleine auf die Suche gemacht.
Es schien nur Riesenbäume zu geben in diesem Wald. Nirgends fand man
einen Trollbaum. „Lasst uns umkehren, ich höre die anderen nicht
mehr“, forderte Emilia nach einer Weile. Sie wollte sich nicht
verlaufen in einem fremden Wald, soviel war sicher. „Nur noch bis
um die nächste Wegbiegung bitte“, rief Ole und sauste auch schon
los. Ein überraschter Aufschrei von ihm ließ die beiden anderen
Trolle loslaufen. Als sie um die Ecke kamen, sahen sie, was ihn so
erstaunt hatte. Genau vor ihnen standen zwei wunderschöne
Weihnachtsbäume. Sie glitzerten im Sonnenlicht wie mit Sternestaub
gepudert. Ole flüsterte überwältigt: „ So schöne
Weihnachtsbäume gibt es nur in der Eifel. Die sind ja viel zu schade
zum Abholzen.“
Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da trat eine Wichteldame
hinter einem dicken Baum hervor: „Ach was, die sind nicht zu
schade. Die stehen hier extra für euch! Hat das Christkind mir
gestern hier vor die Nase gepflanzt.“ Unsere Drei standen wie vom
Donner gerührt und sagten kein Wort. „Oh, entschuldigt. ich sollte
mich wohl erst einmal vorstellen: Mechthild Wichtel, die Försterin,
heiße ich. Ich habe hier die Aufsicht über den Wald und ihr solltet
diese Bäume da schleunigst absägen und aus meinem Wald entfernen.
Wir sind ein Forstamt und dulden keine fremdartigen Bäume hier.“
Sie hatte sich richtig in Rage geredet und dabei immer wieder ihr
Gewehr zurechtgerückt, das ihr dauernd von der Schulter zu rutschen
drohte. Ole nickte und holte mit einem unsicheren Seitenblick auf ihr
Gewehr seine Säge hervor.
Gemeinsam mit Leo hatte er im Nu die Bäume gefällt und auf den
Schlitten gebunden. Mechthild stand wortlos da und beobachtete sie
bei der Arbeit. Bevor sie sich auf den Heimweg machten, bedankte
Emilia sich noch in ihrer aller Namen recht herzlich und Mechthild
nickte dazu. Sie hatten ihren Schlitten schon fast um die Ecke
bugsiert, als ihnen von hinten noch ein: „Fröhliche Weihnachten“
nachschallte. Am Ende des Waldweges standen dann auch schon die beiden Opas und
Omas mit ihren Bäumen und erwarteten die Trolle. Nachdem sie die
glitzernden Bäumchen genug bewundert hatten, meinte Opa: „Und
jetzt wird alles eingeladen. Mir ist kalt und es wird schon bald
dunkel.“
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