15.Dezember
Das Telefon klingelte. In Oles Traum klang es wie Schlittengeläute,
aber doch irgendwie anders und unpassend. Mühsam versuchte er wach
zu werden und begriff, dass es Omas Telefon war, das da so
unverschämt laut bimmelte. Verflixt, es war doch noch dunkel und
alle schliefen noch. Er schlug die Bettdecke zurück und machte sich
auf den Weg in den Flur. Da endlich hörte er Omas Schlafzimmertüre
und sie kam im Galopp die Treppe hinunter. Kaum hatte sie abgehoben,
da konnte er auch schon hören, dass am anderen Ende der Leitung ein
Kind weinte. Oma hörte geduldig dem schluchzenden Etwas zu und
zwischendurch sagte sie immer wieder: „ Ja mein Schatz, Oma fragt
mal!“ und dann ein „Gut, wenn sie einverstanden sind, dann noch
heute. Aber erst mal gehst du jetzt in den Kindergarten, hörst du?
Ja, Omi hat dich auch lieb.“ Sie legte auf und stand kopfschüttelnd
im Flur. „ Und sowas mir! Und dann noch quasi vor dem Aufstehen am
frühen Morgen! Ole, wir haben ein Problem!“ Soweit war Ole auch
schon in seinen Gedanken gekommen. Leider kannte er den Grund des
Problems und der Kindertränen nicht, sonst wäre ihm schon eine
Lösung eingefallen. Er sah Oma abwartend an und seufzend berichtete
sie ihm, was der Grund des Anrufes gewesen war. Ihr Enkelsohn hatte
natürlich, wie sollte es auch anders sein, von Lasse und Britta
geträumt und bittere Tränen geweint, als sie am Morgen nicht in
seinem Playmobilhaus saßen. Er hatte die beiden ja gestern schon
mitnehmen wollen und nun bat er sie herzlich und unter Tränen, doch
zu ihm überzusiedeln. Ole kratze sich in seinen wirren Locken und
meinte: „ Versteh ich ja, aber dann bin ich wieder alleine. Das
gefällt mir gar nicht. Mal sehen, was die Zwei davon halten.“ Im
Nu war er die Treppe hinauf und hämmerte wie verrückt auf das Dach
ihrer Wohnung. „ Lasse, Britta! Aufwachen! Es gibt was zu besprechen! Ich seh euch in 5 Minuten bei Oma in der Küche.“
Als er wieder unten ankam, hatte Oma schon Kaffee gekocht und den
Tisch gedeckt. Sie saß im Morgenmantel grübelnd am Küchentisch und
sah wirklich ratlos aus. Sowas kannte Ole nicht von ihr und er
beeilte sich, zu ihr auf den Tisch zu steigen. Oben angekommen, lief
er zu ihr hin und streichelte ihr über die Hand. „Omilein, wir
finden schon eine Lösung. Erst müssen wir mal erfahren, was die
beiden dazu sagen.“ Oma seufzte. „ja, ich weiß. Aber der Kleine
hat so fürchterlich geweint. das tat mir so leid. Vielleicht können
wir es ja einrichten, dass Lasse und Britta immer mitkommen, wenn er
zu Besuch kommt?“ „Wohin sollen wir mitkommen zu Besuch?“
erscholl es von der Küchentür. Lasse stand sichtlich
unausgeschlafen im Türrahmen und verstand die Welt nicht mehr. Oma
stand auf und trug ihn zu Ole auf den Küchentisch. „Erst mal einen
Kaffee und dann reden wir. Britta ist ja auch noch nicht da, die
muss ja am Familienrat teilnehmen.“ Ole erklärte Lasse den
Sachverhalt und als Britta endlich auch erschein, musste er alles
noch einmal berichten. Die beiden schauten sich ratlos an und
schwiegen. Dann stand Britta auf und begann eine lange Rede. „
Also, ich würde gerne umziehen. Ein eigenes Haus wäre perfekt für
uns, jetzt, da unsere kleine Familie sich vergrößern soll. Im
Winter unter der Treppe und im Sommer unterm Holunderbusch draußen
ist schön und gut für erwachsene Trolle, aber ein Baby braucht was
Richtiges! Das Angebot mit dem Haus kommt genau richtig, meine ich.
Lasse, sag doch auch mal was.“ Der saß stocksteif auf seinem
Stühlchen und sagte nichts. Er konnte nicht. Hatte er da gerade
wirklich so nebenher erfahren, dass er Vater wurde? Minutenlang
warteten alle auf seine Antwort und Britta musste sogar ein wenig
lachen. Die Überraschung war ihr wohl gelungen. Endlich erhob sich
auch Lasse, ging verlegen auf seine Frau zu, nahm sie in den Arm und
gab ihr einen dicken Kuss. „ Wenn du meinst,
Liebes, das es besser so ist, dann bin ich natürlich einverstanden.
Oma, kannst du uns den Umzug empfehlen?“ Oma nickte und schaute
traurig zu Ole hinüber. Der saß mit gesenktem Kopf am Tisch und
murmelte:
„Wieder alleine, Mist. Zu früh gefreut, schade.“ „Ach was“,
rief Lasse, „ich laufe mal eben zu Leo rüber in Nachbars Garten
und frage ihn, ob er unsere Winterwohnung mit Kost und Logis haben
will.“ „Noch ein Troll?“ riefen Ole und Oma wie aus einem Mund.
Lasse stand schon an der Haustüre und wartete darauf, dass Oma
öffnen würde und Britta meinte nur: „ Klar doch, wir sind ganz
viele hier in der Eifel, ihr seht uns nur nicht. Wer mit offenen
Augen durch die Gegend läuft, findet war ab und an einen Hinweis auf
uns, aber bisher seid ihr, Du und Opa und der Kleine die einzigen,
die jemanden aus unserer Sippe gesehen haben.“ Oma hatte Lasse aus
dem Haus gelassen meinte: „Nein, das stimmt nicht ganz. Die Oma der
früheren Hausleute hier kannte ja deinen Großvater und meine Oma
muss wohl auch einen gekannt haben, sonst hätte sie mir nicht von
euch erzählt.“ Es klopfte am Küchenfenster und zwischen
Tannenzweigen und Lavendel stand Lasse bibbernd mit einem
blauhaarigen Troll.
Rasch öffnete Oma das Fenster und bat die beiden herein. Lasse
huschte in die Küche und sein Nachbar kam zögernden Schrittes
hinter ihr her. Er sah sich verwundert um und
meinte: „ Tach zusammen, ich bin der Leo und wohne nebenan in den
Himbeerbüschen.“ Dann schaue er sich Ole näher an und rief: „
Das ist ja der Himbeerdieb vom letzten Sommer. Der war gemeinsam mit
der Frau da in meinem Garten. Sogar mit einem Traktor ist er gekommen
und hat einen ganzen Anhänger voll Himbeeren geklaut!“ Ole
verkroch sich hinter Omas Kaffeetasse und schaute sie hilfesuchend
an. „Guten Tag erst mal Leo. Wir sind keine Diebe. Der Nachbar hat
uns die Himbeeren geschenkt. Und Ole war so freundlich, mir mit dem
Traktor meines Enkels zu helfen. Du kannst gerne von der Marmelade,
die ich daraus gemacht habe, einige Gläser bekommen.“ Leo trat
vorsichtig ein wenig näher und meinte: „Naja, ihr habt ja was
übrig gelassen für mich und meine Frau. Ich will mal nicht so
sein.“ „Frau?“ Ole lief auf ihn zu und umarmte ihn. „Hol sie
her und werde mein Nachbar hier. Die Oma ist ne prima Vermieterin, du
wirst sehen!“ Leo sah Oma fragend an und als sie nickte, lief er
mit den Worten. „Bin gleich zurück!“ zum immer noch geöffneten
Fenster. „Welche Aufregung am frühen Morgen“, stöhnte Oma und
griff zur Kaffeekanne. Britta meldete sich mit den Worten: „Ich
bitte auch Frau Oma, und wenn es nichts ausmacht, ein wenig Brot dazu
bitte.“ „Aber gerne doch. Ich hole nur schnell noch ein paar
Sitzgelegenheiten und Geschirr, dann können wir alle gemeinsam
frühstücken, wenn die Zwei hier sind.“ Sie flitze los und man
hörte sie wieder einmal in ihre Wunderkiste kramen, als es auch
schon aufs Küchenfenster klopfte, dass sie wegen der Winterkälte
natürlich geschlossen hatte.
„Sie sind da Oma!“ Ole stand schon auf dem Fensterbrett und
wartete darauf, dass sie es endlich öffnen würde. Hinter Leo stand
seine Frau und beide trugen ein Bündel mit ihren Habseligkeiten.
Als Oma endlich zurück war und das Fenster zum zweiten Mal an diesem
Morgen öffnete, schlüpften sie schnell ins Warme und stellten ihre
Bündel auf dem Fensterbrett ab. Leo schob seine Frau nach vorne und
stellte sie vor mit den Worten: „Hier ist sie. Die beste Ehefrau
von allen, meine Emilia Erdbeernisser. Auf dem Tisch entstand ein
lustiges Gewusel, als sie einander begrüßten und Oma schüttelte
nur den Kopf darüber, dass sie nun 5 Nisser auf ihrem Küchentisch
bestaunen durfte. Sie stellte mit Schwung die Butter auf den Tisch
und meinte: „Genug begrüßt, jetzt wird gefrühstückt, Britta und
ich haben Hunger.“ Das waren doch klare Worte und alle nahmen
Platz. Oma goss Kaffee ein und las dann die Zeitung, während am kleinen Tisch munter mit vollem
Mund geredet und gelacht wurde. Nach einiger Zeit schob sich Oles
Wuschelkopf unter ihrer Zeitung hervor.
„Oma, bist du bald fertig? Wir müssen mit dir reden.“ Oma
faltete also ihre Lektüre zusammen und schaute abwartend in die
Runde: „ Na dann mal los, meine Herrschaften, ich bin ganz Ohr!“
Da legen alle auf einmal los und sie rief entsetzt: „Halt! Halt!
Ich verstehe kein Wort. Lasst bitte Ole reden. Er wird’s schon
richtig erklären.“ „Also, es ist beschlossen“, erklärte der
sofort. „Leo und Emilia nehmen die Wohnung und Lasse und Britta
ziehen um. Unter einer Bedingung: Wir dürfen heute alle mitfahren
und deine Enkel besuchen und immer, wenn sie herkommen, dürfen Lasse und Britta uns besuchen.“ „So machen wir
es!“ Oma fand die Idee wunderbar und sah auf die Uhr. Ja, es war
jetzt halb neun und sie konnte anrufen und ihre Tochter fragen, wann
sie mit der Rasselbande am Kindergarten sein solle. Nachdem sie
aufgelegt hatte, bemerkte sie erstaunt, dass ihre Gäste verschwunden
waren. Lachend machte sie sich auf den Weg zu Lasses und Brittas-
nein, jetzt ja Leos und Emilias- Wohnung und fand die Fünf eifrig
packend und sortierend vor. „Soll ich euch einen Korb bringen oder
einen Koffer?“ Lachend stand sie auf der Treppe und betrachtete das
kleine Chaos unter ihrer Treppe. Dann holte sie ihren Einkaufskorb
herbei und half, das Umzugsgut zu verstauen. Kurz vor Mittag saßen
alle abreisebereit im Korb und los ging die Fahrt Richtung
Kindergarten. Dort war die Freude riesengroß und beide Enkel
versprachen hoch und heilig, immer ganz vorsichtig mit den neuen
Nachbarn zu sein. Oma schaute sich noch die neue Unterkunft an und
kuschelte ein wenig mit den Enkeln und dann ging es wieder heim. Dort
zeigte Ole dann Leo und Emilia seinen Adventskalender und großzügig
ließ er Leo einen Strumpf öffnen. Ein kleiner Bierkrug kam zum
Vorschein und Leo freute sich sehr. So etwas Schönes hatte er noch
nie besessen. Dann rief Oma aus der Küche zum Abendrot. Das ließen
sie sich nicht zweimal sagen und flitzen gemeinsam los. Opa, der
gerade erst von der Arbeit gekommen war, lernte bei der Gelegenheit
dann die zwei auch gleich kennen und es wurde noch ein gemütlicher
Abend mit Erzählungen über Nachbars Garten und die weitere
Verwandtschaft.
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