11.Dezember
Ole hatte von Englein, dem Weihnachtshimmel und von den vielen
Geschenken geträumt, die dort verpackt wurden. Er hatte gesehen, wie
Englein mit großen Taschen voller Briefe von Haus zu Haus flogen und
sie im Traum beobachtet, wie sie damit ins Postamt an der
Himmelspforte flogen. Dort saßen wieder andere Englein und
sortierten die Wunschzettel und Grüße ans Christkind in Körbe, die
dann in die verschiedenen Himmelswerkstätten gebracht wurden. So ein
Gewusel und Gewimmel hatte er noch nie gesehen. Überall wurde
ununterbrochen gesägt, gehämmert, genäht, geklebt und gebastelt.
Als er aufwachte, schaute er sich verwundert um und wusste zuerst gar
nicht, wo er war. Dann erkannte er sein Bett und den Kleiderschrank
und wusste: er hatte geträumt. Er rieb sich nachdenklich die Augen
und fragte sich, warum ihm nicht mehr einfiel, was er im Traum so
wichtig gefunden hatte. Richtig! Das Postamt! Er musste Oma unbedingt
nach der Adresse fragen. „Sicher ist sicher“, murmelte er, „
besser ich schicke meinen Wunschzettel mit der Post.“ Nur für den
Fall, dass die Englein mal nicht auf die Fensterbank schauen sollten
natürlich. Dann fiel ihm auch wieder ein, was ihm in der
Weihnachtswerkstatt so gut gefallen hatte, dass er es unbedingt auf
seinen Wunschzettel schreiben wollte. Eine wunderschöne Eisenbahn
hatte er gesehen, genau richtig für ihn, winzig klein und sehr
stabil. Ein Wikingerboot hatte er auch entdeckt, prima geeignet für
seine herbstlichen Ausflüge in die Pfützen der Umgebung. Ob er sich
das wohl alles Wünschen sollte? War das nicht unverschämt? Sein
größter Wunsch nach einem Freund in seiner Größe und am liebsten
einen echten eifeler Haustroll musste ja auch noch auf den
Wunschzettel. „Da kann nur Oma helfen, die weiß das bestimmt!“
entfuhr es ihm und sofort sprang er aus dem Bett. Laut „Oma, Oma!“
rufend eilte er in die Küche und schon sprudelten all seine Fragen
aus ihm heraus. Als er fertig war seufzte Oma: „Ole Nisser,
beruhige dich. Das Christkind und die Englein werden schon wissen, ob
deine Wünsche in Erfüllung gehen können. Wenn sie überhaupt schon
wissen, was du dir wünschst. Ist dein Wunschzettel denn schon
fertig?“ Traurig musste er zugeben, dass er sich nicht getraut
hatte, alles aufzuschreiben und was er eben noch so überlegt hatte
wegen des Postamtes an der Himmelspforte. „Kannst du mir helfen,
liebe Oma, und mir auch die Adresse geben? Ich möchte den
Wunschzettel gerne per Post verschicken, damit er auch ganz sicher
ankommt beim Christkind.“ Natürlich wusste sie Rat und suchte in
der Tageszeitung nach dem Artikel mit den Adressen legte ihm dann die
Abbildung auf den Tisch.
„Wie in meinem Traum heute Nacht!“ rief Ole begeistert. „ Der
Blaue da oben, der heißt Petrus und hat den Schlüssel für die
Himmelstür.“ Oma lächelte und erkundigte sich dann, was denn
heute im Adventskalender gewesen sei. Ganz verdutzt sah Ole sie an
und ein: „Herrjeh, vergessen!“ entschlüpfte ihm. „ Ich glaube,
ich mache ihn heute erst auf, wenn ich alles erledigt habe. Blume
gießen muss ich auch noch und der Wunschzettel ist zuerst dran. Die
Socke muss heute warten, hab keine Zeit!“ Oma lachte und holte
eine wunderschöne Weihnachtspostkarte in Oles Größe herbei. Sie
zeigte ein eine Krippe mit Josef, Maria, dem Jesuskind und vielen
Englein. Er war so begeistert von dem Bild, dass er vergaß, was er
gerade noch hatte tun wollen. „Oma, da sind ja Schafe drauf und ein
Hirte“, rief er erstaunt aus. „Und das Christkind liegt ja auf
Stroh! Piekst das nicht zu sehr für so ein Baby?“ Oma nickte
zustimmend und erzählte ihm, dass Josef damals keine andere
Unterkunft für sich und seine Frau hatte finden können und dass das
Christkind drum in der Futterraufe der Schafe auf dem Stroh liegen
musste. „Aber Oma! Das geht doch nicht! Du hast gesagt, das
Christkind ist der Sohn Gottes und ein König! Unsere Königin
Magrete in Dänemark will auch nicht auf Stroh schlafen. Wir müssen
das ändern! Unbedingt!“ „Da hast du wirklich Recht, mein
Lieber“, schmunzelte sie und wusste auch Rat in dieser vertrackten
Angelegenheit. „Es gibt da eine Möglichkeit zu helfen, aber nur
für Kinder. Vielleicht auch für Trolle, kommt auf einen Versuch
an.“ „Ich will, ich will!“ rief Ole und hüpfte aufgeregt von
einem Bein aufs andere. „Nun sag doch schon, was ich tun muss,
damit das Christkind ein weiches Bett hat.“ Wortlos verließ Oma
die Küche und kehrte nach kurzer Zeit mit einer Schachtel voller
bunter Fäden zurück.
„Aha, wir tauschen das Stroh gehen Wolle aus? Prima Idee, aber
warum können das nur Kinder? Du brauchst es doch nur in die Krippe
zu legen.“ „Oha, mein Lieber! so einfach ist das nicht!“
erklärte sie. „Die Englein müssen das tun und die haben keine
Fäden übrig im Himmel. Alle verbraucht! Puppenkleider nähen……du
verstehst? Sie können nur Fäden benutzen, die sich ein Kind hier
unten auf der Erde im Advent verdient hat, indem es brav und fleißig
war.“
„Herrjeh“, dachte Ole ein wenig zu laut und der Verzweiflung
nahe. „Wie soll ich das denn bloß hinkriegen? Wo ich doch immer
alles falsch mache, wie Opa immer sagt.“ Das hatte Oma gehört und
antwortete lächelnd: „ Na, das kriegen wir zwei schon hin, wenn
ich dir dabei helfe. Wenn ich es mir recht überlege, hast du dir
beim Backen schon jedes Mal einen verdient.“ Sie überreichte ihm
zwei lustig bunte Fäden und bat ihn, diese auf die Fensterbank zu
legen, damit die Englein sie abholen können. Das ließ er sich nicht
zweimal sagen und mit einem Satz war er schon zwischen Nikolaus und
Lichterkette gelandet. „Hier beim Nikolaus finden die Englein sie
bestimmt! Er winkt ja schon immer mit seiner Kerze zum Fenster
hinaus.“ Oma nickte zustimmend und kramte in der Schublade herum.
„Da ist sie ja“ rief sie erfreut und hielt Ole eine kleine Feder
entgegen. „Hier, damit du einen besonders schönen Wunschzettel
schreiben kannst! Eine Feder habe ich schon gefunden für dich, nun
fehlt nur noch das Tintenfass.“ Er blickte
sie verwirrt an: „Meinst du wirklich, ein Troll kann ohne Kleckern
damit einen Wunschzettel schreiben?“ Oma lachte: Das wirst du
können müssen. Ich habe kein anderes Schreibgerät mehr für dich.
Die Bleistiftspitze hast du ja schon verbraucht und alles andere ist
zu groß für dich. Abgesehen davon kann das Christkind ja wohl
erwarten, dass du dir sehr viel Mühe damit gibst. Und denk daran:
auch die Weihnachtskarte ist ein Einzelstück …… es gibt keinen
zweiten Versuch!“
Den Rest des Tages verbrachte Ole damit, seinen Wunschzettel in
Schönschrift und ohne Kleckse auf die Karte zu malen. Draußen war
es längst dunkel geworden, als er endlich seufzend die Feder
beiseite legte und Oma die karte entgegen hielt: „ Geht das so?“
Ängstlich blickte er zu ihr auf und ein beruhigter Seufzer entwich
ihm, als sie
„Prima, sieht sehr gut aus!“ murmelte und ihren kritischen Blick
von der Karte hob.
„Lesen kann ich dein Dänisch ohne Lupe natürlich nicht und ob ich
es verstehe, ist ja egal. Hauptsache sauber und ordentlich und mit
viel Liebe geschrieben.“ Eigentlich wollte Ole nun ins Bett, aber
erstens musste die Karte noch in einen Umschlag und dann war da noch
der Socken-Adventskalender, den er fast vergessen hätte. Also musste
er nochmal ans Tintenfass und mit Omas Hilfe in großen Buchstaben
die Adresse vom Christkind auf einen riesigen Umschlag schreiben,
weil sie ihm erklärt hatte, dass die Post solche kleinen Umschläge
nicht annimmt. Dann hatte Oma das Riesenteil in ihre Handtasche
gesteckt und ihm gesagt, sie wolle es gleich morgen zur Post bringen.
Mit schweren Schritten schlich er dann zu seinem Haus, öffnete Socke
Nummer 11 und war doch wirklich zu müde, um die kleinen Plätzchen
zu essen, die er darin gefunden hatte. Er legte sie zu der
Schokoladenkugel neben die Schüssel auf dem Wohnzimmertisch und
verschwand in seinem Schlafzimmer.
Kaum hatte er sich zugedeckt, da fielen ihm auch schon die Augen zu
und er träumte von riesigen Tintenflecken und einer Postbotin, die
sich darüber beschwerte.
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