- Dezember
Nach diesem aufregenden Tag, inmitten von Mehl und Plätzchenduft,
hatte Ole tief und fest geschlafen. Er wachte von Omas fröhlichem
Gesang in der Küche auf. Sie sang etwas von froh und munter sein und
sich heut am Tag erfreuen. Mit einem Satz war er aus dem Bett heraus
und lief zur Treppe. Heute wusste er ja schon, was zu tun war. Er
suchte die Socke mit der Nummer 2 und löste die Schleife. Sein Griff
hinein förderte eine riesige glänzende Kugel hervor, die sehr
verführerisch nach Schokolade duftete. Er trug sie in sein
Wohnzimmer und legte sie in eine Schüssel. Schokolade vor dem
Frühstück ist nichts für einen Trollmagen.
Seine Morgentoilette hatte er blitzschnell erledigt. Der Hunger trieb
ihn in Omas Küche. Er glaubte nicht, was er da sah. Die Küche sah
aus wie ein Schlachtfeld und Oma rührte fröhlich in einer Schüssel
mit Teig. „Oma, sag nur, du willst schon wieder backen?“ war
alles, was er mit knurrendem Magen hervorbrachte. Der Mixer
verstummte und Oma erklärte ihm, dass es noch ein paar Tage so
weiter gehe, während sie ihm sein Frühstück hinstellte. Ihr müsst
wissen: Großmütter sehen es an der Nasenspitze, wenn jemand Hunger
hat. Kauend erkundigte Ole sich, ob er wieder helfen dürfe, wenn er
aufgegessen habe. „Natürlich!“ kam es dumpf aus dem Kühlschrank hervor. Oma steckte mit dem Kopf fast ganz darin
bei dem Versuch, ein wenig Platz zu schaffen für eine weitere
Schüssel Teig. „Prima, ich beeile mich mit dem Frühstück. Dann
können wir sofort loslegen.“ Er steckte den letzten Rest
Brötchenkrümel mit leckerer selbstgemachter Himbeermarmelade von
Omi in den Mund und band seine Schürze um, die noch von gestern über
der Stuhllehne hing.
So verbrachten sie also den gestrigen Tag und fielen hundemüde in
ihr Bett, als die Sonne untergegangen war. Und genau diese Sonne
kitzelte ihn am nächsten Morgen in der Nase, als sie durchs Fenster
auf sein Bett schien. Fröhlich und ausgeschlafen sauste er zur
Treppe um wieder einen Strumpf zu plündern. Er war so ungeduldig,
dass er mehrmals die ganze Treppe herunter und wieder hinauf sausen
musste, bis er die Socke mit der 3 gefunden hatte. Heute gelang ihm
das Lösen der Schleife schon ganz von alleine und er griff neugierig
nach dem Inhalt. Es fühlte sich weich an und knisterte im Strumpf.
Gespannt zog er das Päckchen heraus und wieder war es im gleichen
Papier verpackt wie das allererste Geschenk. „Was da wohl drin
ist?“ dachte er und tastet darauf herum bevor er das Papier
entfernte. Dann entfuhr ihm ein erstauntes:“Oh wie schön!“ und
er breitete eine winzige Weihnachtstischdecke einfach auf der Treppe
aus, um sie sich näher anzuschauen.
Mit seinem Geschenk unter dem Arm hüpfte er fröhlich in die Küche
und rief. „Oma, wenn das so weitergeht, dann ist mein Haus an
Weihnachten festlicher geschmückt als deines. So eine feine
Tischdecke hat nicht jeder.“
„Jaja, “ lächelte Oma vor sich hin. „Die Englein haben sich
dein Haus wohl sehr genau angeschaut und wissen jetzt, was dir noch
so alles fehlt.“ Eines jedoch hatten sowohl die Englein als auch
Ole und Oma total vergessen. Einen Adventskranz gab es nicht in Oles
Haus. Das fiel den beiden beinahe gleichzeitig auf, als Oma zum
Frühstück heute die erste Kerze auf ihrem Kranz entzünden wollte.
Sie schauten sich an und Oma rief: „Herrjeh, das hab ich doch ganz
vergessen! Dein Adventskranz liegt noch in der Schachtel auf dem
Dachboden.“ Den letzten Satz konnte Ole kaum noch verstehen, weil
Oma schon an der Dachbodentüre angelangt war. Eine Minute später
stand sie wieder vor ihm und überreichte ihm feierlich einen
winzigen Adventskranz mit vier echten kleinen Kerzen.
„Hier, für dich! Anzünden bitte nur hier auf deinem Tisch in der
Küche, nicht in deinem Haus! Und nur wenn ich dabei bin! Aber das
weißt du ja selber, wie schnell da etwas passieren kann.“
sprudelte es aus ihr heraus.
„ Oh bitte, darf ich jetzt? Sofort?“ rief Ole und hatte schon ein
Streichholz in der Hand. Oma nickte und er hielt sein Streichholz in
die Flamme an Omas Adventskranz. Vorsichtig trug er das brennende Hölzchen über den Tisch und entzündete die
erste Kerze. Gerade wollte er die Zweite anzünden, als Oma
erschrocken rief: „ Nein! Nur eine! die Nächste wird erst am
Sonntag angezündet.“ Ole ließ die das Streichholz sinken und
hätte sich fast verbrannt, so sehr erstaunte ihn das Ganze. Wenn Oma
nicht schnell gepustet hätte, wäre das bestimmt sehr schmerzhaft
für ihn geworden. „Aber da sind 4 Kerzen und die sollen es doch
hell im Haus machen. Eine allein leuchtet doch nicht genug. Ich
verstehe das nicht. Ihr habt komische Sitten.“
Während beide nun gemütlich ihr Frühstück im Kerzenschein
vertilgten, erklärte Oma ihrem kleinen Freund, was die Kerzen auf
dem Kranz bedeuten. „Sie stehen für die letzten Wochen vor
Weihnachten und zeigen an, wie lange es noch dauert, bis die Menschen
die Geburt des Jesuskindes feiern. Mit ihrem Licht erhellen sie die
dunklen Abende des Winters und je näher das Fest rückt, desto
heller leuchtet ihr Licht. Die Christen nennen das Jesuskind auch das
Licht der Welt und feiern seine Ankunft mitten im Winter genau dann,
wenn die Tage wieder länger werden und das Licht zurückkehrt.“
Das war nun ein wenig viel auf einmal für den armen kleinen Kerl und
er rief: „Gut, also jetzt immer nur die eine und am Sonntag noch
eine, hab schon verstanden.“ „Backen wir heute wieder?“ Oma
schmunzelte und meinte: „Nein, heute ist Schuhe putzen angesagt. Morgen ist Sankt Barbara-Tag und wir müssen heute Abend
unsere Schuhe blitzeblank geputzt in den Hausflur stellen.“ Ole war
für heute das Fragen vergangen und er wunderte sich ja auch schon
lange nicht mehr über Omas seltsame Gewohnheiten. Er verbrachte also
seinen Tag damit, gemeinsam mit Oma Schuhe zu putzen und
zwischendurch ein wenig Tee und Kekskrümel zu naschen.
Ja, es waren nur noch Krümel zu finden. Alle anderen Kekse hatte der
Opa in gut verschlossenen Dosen oben auf den Kamin gestellt, damit
die Englein sie abholen und bis Weihnachten gut verwahren können.
Auch so eine Gewohnheit, die Ole nun ganz und gar nicht gefiel. Er
hätte doch so gerne ab und an mal nachgeschaut, ob noch alle da
sind. Dieser Advent in der Eifel war schon ein wenig ungewöhnlich,
dachte Ole, als er in seinem Bett lag und darüber nachdachte, was
er wohl morgen in der Socke finden würde.
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