25.Dezember

25.Dezember



Weihnachten!

Es war sehr spät geworden gestern. Oma war erst kurz vor Acht Uhr mit allem fertig geworden und auch die Trolle hatten immer noch etwas gefunden, was zu erledigen war. Endlich aber gab es Abendbrot und dann gingen Oma und Opa zur Christmette. Ole wäre gerne mitgegangen, aber Oma hatte das kategorisch abgelehnt. Sie hatte wohl Angst, er würde in der Krippe Unfug machen. Emilia nahm ihn tröstend in den Arm und sagte: „Dann komm doch mit uns, wir gehen auch in die Kirche.“ Ole war ganz erstaunt, dass es eine eigene Kirche für Trolle gab in der Eifel, aber dann fiel ihm ein, dass er ja mit Oma auch schon mal an einer angehalten hatte auf dem Weg nach Bad Münstereifel. Er fragte auch gleich nach: „Wie weit ist das denn von hier? Mein Bus ist nicht aufgetankt. Weit kommen wir damit nicht mehr.“ Leo winkte ab. „Wir müssen nur bis zu Onkel Waldemar. Dort im Nachbarhaus gibt es eine kleine, aber feine Kapelle, wo wir immer Weihnachten feiern. Du bist herzlich eingeladen.“ Die Drei machten sich also in Oles Bus auf den Weg ins Unterdorf und standen schon bald vor der hell erleuchteten Kapelle. Ole kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Von allen Seiten strömten Trolle, Wichtel und Zwerglein herbei und er bekam es mit der Angst zu tun, dass er keinen Platz mehr finden würde. Er beeilte sich also, hinein zu kommen und betrachtete all die Englein und die kleine Krippe, die man dort sehen konnte.



Ihm wurde ganz feierlich zu Mute und er vergaß alle Flausen, die ihm sonst immer im Kopf herum spukten. Es wurde dunkel in der Kirche und ein Chor sang das Lied : Engel haben Himmelslieder auf den Feldern angestimmt. Dann wurden kleine Kerzen angezündet und man sang das Lied: Stille Nacht, heilige Nacht Ein Troll trat aus der Bank hervor und ging nach vorne und las erst ein Gedicht und dann das Weihnachts- evangelium. In der Kirche war es mucks- mäuschenstill. Alle lauschten dieser schönen Stimme, die so einfühlsam die Geschichte der Geburt Jesu vortrug. Die Musik setzte ein und das Lied „ Macht Hoch die Tür, die Tor macht weit erscholl aus vielen Kehlen gleichzeitig. Dann ging das Licht in der Kirche wieder an und alle wünschten einander gesegnete Weihnachten, gingen nach- einander noch nach vorne zur Krippe um sie zu betrachten und dann ging es heim ins Bett. Das Christkind musste ja noch ein wenig Ruhe haben um die Geschenke zu bringen und hier und da ein wenig zu dekorieren. Auch unsere Drei fuhren heim und kamen gerade richtig an, um mit Oma und Opa ins Haus zu gelangen. Oma wünschte noch frohe Weihnachten und sagte dann, sie sei so müde, dass sie sofort ins Bett müsse. Auch Opa ging ins Bett und die Trolle wollten sich gerade zur Ruhe legen, als Leo und Ole einfiel, was sie vergessen hatten. Der Schleifstein! Sie holten ihn rasch aus seinem Versteck hervor und trugen ihn ins Wohnzimmer zur Krippe. Die Hundehütte kam noch schnell hinterher und dann gingen auch sie ins Bett. Ole war ganz hibbelig und freute sich wie verrückt auf den Morgen.

Trotzdem schlief er recht schnell ein. Der Tag war hektisch und anstrengend gewesen. Am Morgen sprang Ole mit einem Satz aus dem Bett. Er sauste die Treppe hinunter und stand staunend in seinem Wohnzimmer. Der Weihnachtsbaum leuchtete wunderbar und eine kleine Krippe stand davor. Auf seinem Tisch stand ein Wikingerschiff, viel schöner, als er es im Traum in der Himmelswerkstatt gesehen hatte. Eine große Tüte Süßes stand auch noch unter dem Baum. Er hüpfte und tanzte vor lauter Freude durchs ganze Haus.

Es dauerte noch eine ganze Weile, bis alle im Haus aufgewacht waren und sich zum Frühstück in der Küche trafen. Auch Leo und Emilia hatten eine Krippe bekommen und sich sehr darüber gefreut.


Ole erzählte von der kleinen Kirche und was sie dort erlebt hatten und ehe er es sich versah, hatte er es schon gesagt: „ Opa, das mit der Bibel kannste dir sparen…… hatten wir gestern schon.“ Oma sah ihn streng an.
„Mein lieber Ole, dann musst du es dir noch einmal anhören wenn die Enkel kommen.“ Leo und Emilia sahen sich betreten an. Dieser Ole war manchmal wirklich unmöglich. Aber sie mochten ihn trotzdem. Oma nahm ein altes Buch hervor und fragte, ob denn die Trolle schon die Geschichte gehört hätten, warum das Jesuskind lächeln musste. Nein, die hatten sie noch nie gehört und so begann Oma mit leiser Stimme:

Worüber das Christkind lächeln musste



Von Karl Heinrich Waggerl


Als Josef mit Maria von Nazareth her unterwegs war, um in Bethlehem anzugeben, dass er von David abstamme – was die Obrigkeit so gut wie unsereins hätte wissen können, weil es ja längst geschrieben stand – um jene Zeit also kam der Engel Gabriel heimlich noch einmal vom Himmel herab, um im Stalle nach dem Rechten zu sehen. Es war ja sogar für
einen Erzengel in seiner Erleuchtung schwer zu begreifen, warum es nun der allererbärmlichste Stall sein musste, in dem der Herr zu Welt kommen sollte, und seine Wiege nichts weiter als eine Futterkrippe. Aber Gabriel wollte wenigstens noch den Winden gebieten, dass sie nicht gar zu grob durch die Ritzen pfiffen, und die Wolken am Himmel sollten nicht gleich wieder in Rührung zerfließen und das Kind mit ihren Tränen überschütten, und was das Licht in der Laterne betraf, so musste man ihm noch einmal einschärfen, nur bescheiden zu leuchten und nicht etwa zu blenden und zu glänzen wie der Weihnachtsstern. Der Erzengel stöberte auch alles kleine Getier aus dem Stall, die Ameisen und Spinnen und die Mäuse, es war nicht auszudenken, was geschehen konnte, wenn sie die Mutter Maria vielleicht vorzeitig über eine Maus entsetzte! Nur Esel und Ochs durften bleiben, der Esel, weil man ihn später ohnehin für die Flucht nach Ägypten zu Hand haben musste, und der Ochs, weil er so riesengroß und so faul war, dass ihn alle Heerscharen des Himmels nicht
hätten von der Stelle bringen können. Zuletzt verteilte Gabriel noch eine Schar Engelchen im Stall herum auf den Dachsparren, es waren solche von der kleinen Art, die fast nur aus Kopf und Flügeln bestehen. Sie sollten auch bloß still sitzen und Acht haben und sogleich Bescheid geben, wenn dem Kind in seiner nackten Armut etwas
Böses drohte. Noch ein Blick in die Runde, dann erhob der Mächtige seine Schwingen und rauschte davon. Gut so. Aber nicht ganz gut, denn es saß noch ein Floh auf dem Boden der Krippe in der Streu und schlief. Dieses winzige Scheusal war dem Engel Gabriel entgangen, versteht sich, wann hatte auch ein Erzengel je mit Flöhen zu tun! Als nun das Wunder geschehen war, und das Kind lag leibhaftig auf dem Stroh, so voller Liebreiz und so rührend arm, da hielten es die Engel unterm Dach nicht mehr aus vor Entzücken, sie umschwirrten die Krippe wie ein Flug Tauben. Etliche fächelten dem Knaben balsamische Düfte zu und die anderen zupften und zogen das Stroh zurecht, damit ihn ja kein Hälmchen drücken oder zwicken möchte. Bei diesem Geraschel er- wachte aber der Floh in der Streu. Es wurde ihm gleich himmelangst, weil er dachte, es sei jemand hinter ihm her, wie gewöhnlich. Er fuhr in der Krippe herum und versuchte alle seine Künste und schließlich, in der äußersten Not, schlüpfte er dem göttlichen Kinde ins Ohr. “Vergib mir!” flüsterte der atemlose Floh, “aber ich kann nicht anders, sie bringen mich um, wenn sie mich erwischen. Ich verschwinde gleich wieder, göttliche Gnaden, lass mich nur sehen, wie!”
Er äugte also umher und hatte auch gleich seinen Plan. “Höre zu”, sagte er, “wenn ich alle Kraft zusammennehme, und wenn du still hältst, dann könnte ich vielleicht die Glatze des Heiligen Josef erreichen, und von dort weg
kriege ich das Fensterkreuz und die Tür….” “Spring nur!” sagte das Jesukind unhörbar, “ich halte still!” Und da sprang der Floh. Aber es ließ sich nicht vermeiden, dass er das Kind ein wenig kitzelte, als er sich zurechtrückte und die Beine unter den Bauch zog. In diesem Augenblick rüttelte die Mutter Gottes ihren Gemahl aus dem Schlaf. “Ach, sieh doch!” sagte Maria selig, “es lächelt schon!”


Schmunzelnd saß Opa am Küchentisch und beobachtete die Trolle. Das war eine Geschichte so recht nach ihrem Herzen. Oma legte das Buch beiseite und fragte, ob denn nun alle bereit seien, ins Weihnachtszimmer zu gehen. Der Opa und sie wollten nun auch gerne mal sehen, was das Christkind gebracht habe. Leo und Ole sahen sich verschmitzt an und nickten dann gemeinsam im Takt mit dem Kopf. Emilia verstand die Welt nicht mehr, ging aber natürlich mit in die Stube. Dort stand ein wunderbarer Tannenbaum mit all dem frisch gebügelten Lametta und vielen wunderschönen anderen Dingen darin.


Opa und Opa gaben sich einen Kuss und wünschten sich frohe Weihnachten. Dann gab jeder dem anderen sein Geschenk und gerade, als sie sich aufs Sofa setzen wollten, um ihre Geschenke auszupacke, fiel Opas Blick auf die Krippe. Er entdeckte den Schleifstein und die Hundehütte. Erstaunt bückte er sich und nahm ein Teil davon in die Hand. Bei genauerem Hinsehen wurde ihm klar: Eine solch feine Arbeit konnten nur Trollhände angefertigt haben. Er drehte sich um und sagte schlicht und einfach: „Danke ihr Lieben, so etwas hat noch gefehlt in der Krippe.“ Ole lief in die Krippe einfach mitten hinein und rief: „ Ja, und etwas anderes, dass dem Jesulein dringend gefehlt hat, ist auch da! Meine Fäden hat das Christkind wirklich als Polster in die Krippe gelegt, nun kann die Mutter Maria es ruhig hineinlegen.“







Allen Lesern ein gesegnetes Weihnachtsfest

und ein herzliches Dankeschön an meine Familie, besonders an meinen Mann, der mehr als einmal aufs Essen warten musste.




Rita Mahlberg im Dezember 2014

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